Die Sorge vieler Eltern und Betroffener
Wenn die Haut des eigenen Kindes plötzlich gerötet, rau, juckend oder sogar aufgekratzt ist, bricht für viele Eltern und Betroffene oft eine Zeit der Unsicherheit an. Neben der Sorge um das Wohlbefinden und die Lebensqualität kommt oft eine ganz bestimmte Frage immer wieder auf: Ist Neurodermitis eigentlich ansteckend? Muss ich, muss mein Kind im Alltag besondere Vorsichtsmaßnahmen ergreifen? Kann ich etwas falsch machen – stecke ich vielleicht andere an, wenn wir kuscheln, spielen, schwimmen gehen oder in der Kita gemeinsam toben?
Diese Ängste sind sehr verständlich – jede sichtbare Erkrankung der Haut ruft zunächst einmal Unsicherheit hervor, insbesondere in einem Umfeld, in dem Infekte bei Kindern allgegenwärtig sind. Noch verstärkt wird dieses Gefühl, wenn aus dem Umfeld Fragen oder sogar Vorurteile an die Familie herangetragen werden. „Ist das nicht ansteckend?“ oder „Sind Sie sicher, dass Ihr Kind in die Kita darf?“ – so oder so ähnlich lauten Kommentare, mit denen sich betroffene Familien oft konfrontiert sehen.
Doch die wichtigste Antwort gleich vorweg: Neurodermitis ist NICHT ansteckend. Weder für Erwachsene noch für Kinder.
Die Ursache: Immunabwehr und gestörte Hautbarriere
Neurodermitis ist eine nicht-infektiöse Erkrankung. Das heißt: Sie wird nicht durch Bakterien, Viren oder Pilze verursacht und ist dementsprechend für andere Menschen weder durch Berührung, durch Luft oder über Gegenstände übertragbar.
Im Mittelpunkt stehen stattdessen:
- Eine gestörte Hautbarriere: Normalerweise schützt sie vor Austrocknung und dem Eindringen von Keimen und Reizstoffen. Bei Neurodermitis „leckt“ diese Barriere, lässt also Feuchtigkeit verdunsten und schädliche Stoffe von außen eindringen. Dieser Barrieredefekt ist erblich bedingt: Wenn Mama, Papa oder Geschwister Neurodermitis, Asthma oder ausgeprägte Allergien haben, liegt die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass auch das eigene Kind betroffen sein könnte.
- Ein fehlgesteuertes Immunsystem: Die Immunabwehr reagiert übermäßig stark auf harmlose Reize (z.B. Staub, Pollen, Schweiß, bestimmte Lebensmittel), was zu chronischen Entzündungen führt.
- Umwelteinflüsse und Lebensstil: Oft verstärken Faktoren wie Stress, seelische Belastungen, klimatische Extrembedingungen, Irritationen durch Wolle, Duftstoffe oder scharfe Waschmittel die Hautirritationen.
Aber... Mein Kind wird in der Kita trotzdem gemieden – wie gehe ich damit um?
Viele Eltern erleben, dass andere Kinder oder sogar Betreuungspersonal Distanz wahren, sobald sie von der Neurodermitis erfahren. Das ist verletzend und hat keinen medizinischen Hintergrund.
Warum entsteht dieses Missverständnis?
- Neurodermitis sieht sehr „auffällig“ aus und wird schnell mit Infektionskrankheiten verwechselt.
- Es gibt wenige sichtbare Unterschiede zu anderen (ansteckenden) Hautkrankheiten, etwa Pilzinfektionen.
Was hilft?
- Ruhig, offen und altersgerecht informieren: „Die Haut ist empfindlich, aber nicht ansteckend.“ „Habt keine Angst vor Umarmungen, Händeschütteln, gemeinsamem Spielen oder Schwimmen gehen!“
- Sprich Unsicherheiten offen an – oft hilft ein ehrliches Gespräch, um Vorurteile und Berührungsängste abzubauen.
- Suche auch das Gespräch mit Lehrern und Betreuern - kindgerechte Broschüren und Bücher können helfen, Missverständnisse aufzuklären.
- Bestärke Dein Kind im Selbstwertgefühl, kläre auch im Freundeskreis auf: akzeptiere die Unsicherheit und Angst erstmal, biete dann aber sachliche Aufklärung: Sätze wie „Neurodermitis ist nicht ansteckend wie Windpocken oder Erkältung!“
Viele Kitas und Schulen haben mittlerweile Erfahrung mit betroffenen Kindern, andere brauchen noch Unterstützung und Aufklärung.

Die emotionale Seite: Die Belastungen für die Familie anerkennen
Als Elternteil eines Kindes mit Neurodermitis fühlt man sich oft doppelt belastet: Einmal durch das Leiden des Kindes, den Schlafmangel, die mühsamen Pflege-Routinen. Zum anderen durch die Sorgen um das soziale Umfeld – Rückzug, Vorurteile, Scham beim Baden oder auf Festen.
„Wir können uns nicht mit Freunden treffen, wenn es schlimmer wird, weil es so schmerzhaft für mein Kind ist. Im Sommer meiden wir das Schwimmbad, um die Blicke anderer zu vermeiden“, sagen Mütter. Und: „Ich fühle mich als schlechte Mutter, weil mein Kind leidet,“ ist ein Gedanke, der häufig im Raum steht, aber falsch ist.
Wichtig zu wissen: emotionaler Stress überträgt sich von Eltern auf Kinder – und kann bei Neurodermitis auch ein Auslöser für einen neuen Neurodermitis-Schub sein. Es kommt zu einem Teufelskreis: Juckreiz – Kratzen – schlechter Schlaf – emotionaler Stress aufgrund des Schubes – neuer Schub – noch mehr Stress.
Was hilft emotional Dir und Deinem Kind emotional?
- Austausch mit anderen betroffenen Eltern – in Selbsthilfegruppen, Online-Communities oder im Bekanntenkreis
- Geduld mit sich und dem Kind – Neurodermitis fordert die ganze Familie, aber Sie machen nichts falsch!
- Die Akzeptanz, dass Geduld und liebevolle Pflege die wichtigsten Werkzeuge sind
- Unterstützung annehmen: vom Partner, von Familie, ggf. durch psychologische Beratung oder Neurodermitis-Schulungen
- Bewusste Auszeiten, Entspannungstechniken und kleine Alltagsinseln helfen nachweislich, den Kreislauf zu durchbrechen.
- Kommunikation in der Familie stärken, gemeinsam über Gefühle sprechen – auch Kinder dürfen traurig oder wütend über ihre Haut sein!
- Hilfe suchen, wenn die Belastung zu groß wird: Psychologische Beratung kann enorm entlasten
Vergiss nicht:
Neurodermitis mag sichtbar sein – aber sie ist ein unsichtbares Band, das viele Familien in Deutschland auf eine sehr besondere Weise miteinander verbindet. Die Kraft, aus Liebe, Wissen und gegenseitiger Unterstützung zu schöpfen, ist das beste Mittel gegen Vorurteile und die Angst vor Ansteckung. Sie sind mit Ihren Sorgen und Fragen nicht allein.